Prof. Dr. Stefan Kühl
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Gastbeitrag:

Unternehmensgründung und die Funktion von Planbarkeitsfiktionen

Gastbeitrag von Prof. Dr. Stefan Kühl, Organisationssoziologe

Die Vorstellung einer systematischen Planung von Unternehmensgründungen ist zunehmend in die Kritik geraten. Durch das Abfassen von Businessplänen würden Gründer letztlich auf ein maschinenartiges Verständnis von Organisationen festgelegt. Unternehmensgründungen würden von einem Zweck – der Gründungsidee – aus gedacht, der dann als Richtschnur für alles organisatorische Handeln herhalten müsse.

Aber leider – so die lauter werdende Kritik – sei die Sache nicht so einfach. Die Realität einer Unternehmensgründung sehe ganz anders aus als in den idealisierten Beschreibungen vieler Gründungsberater. Vielmehr bildeten sich die Produkte der Gründer in einem Prozess von Versuch und Irrtum erst langsam aus, die Kunden seien häufig ganz andere als die ursprünglich anvisierten, und die ursprünglichen Kalkulationen hätten mit den faktischen Kosten und Einnahmen wenig zu tun. Die Gründungsphase eines Unternehmens sei viel wilder, als es die Businesspläne suggerierten.

Diese Kritik wird getrieben durch den besonders im Silicon Valley gepflegten Gründermythos. Dort gilt: Wichtiger als ein ausgearbeiter Geschäftsplan ist ein vielversprechendes Geschäftsmodell, das die Phantasie anregt; bedeutender als eine Ausarbeitung der geplanten Vorgehensweise in einer Hochglanzbroschüre ist, dass ein Gründer seine Ideen in prägnanter Form häufig einer Prüfung aussetzt; zentraler als eine möglichst genaue Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist das Anstoßen von kleinen Versuchen, die sich in der Praxis auch finanziell bewähren müssen.

Sicherlich – die Bedingungen für ein risikokapitalfinanziertes StartUp, das idealerweise innerhalb von zwei, drei Jahren an die Börse gebracht werden soll, sind grundlegend andere als für die Bäckerei, das Café oder die Web-Agentur, die vorrangig darauf ausgerichtet sind, ihren Gründern ein hinlängliches Einkommen zu ermöglichen. Aber es ist nicht zu übersehen, dass mit Begriffen wie „Business Model Canvas“ oder „Lean Start Up“ diese an risikokapitalfinanzierten Unternehmensgründungen erprobte Vorgehensweise auch für die „ganz normalen Gründungen“ als Modell propagiert werden.

Aber gleichzeitig mit der Durchsetzung dieses neuen Paradigmas in Bezug auf Unternehmensgründungen ist die Nachfrage nach Unterstützung beim Schreiben von Businessplänen ungebrochen. Während die Erstellung von Businessplänen früher gerne von den Unternehmensgründern an Steuerberater oder Gründungsberater outgesourct wurde, stehen jetzt vielfältige Softwareprogramme zur Verfügung, die eine Anleitung beim Schreiben eines Businessplans versprechen. Programme wie Business Plan Pro, PlanMagic Business, SmartBusinessPlan, Live Plan, Ultimate Business Planer oder Quick Plan versprechen, dass sie Gründern dabei helfen, die Geschäftsidee zu beschreiben, das Produkt zu spezifizieren, den Kundenbedarf zu benennen, die Vertriebswege festzulegen und die Einnahmen und Ausgaben in den ersten Jahren zu planen.

Wie lässt sich diese Popularität von Businessplänen erklären?

Obwohl die Unternehmensgründung nichts mit den Suggestionen ihres Businessplans zu tun hat, gibt es einen zentralen Grund, weswegen das Erstellen von Businessplänen immer populärer wird. Es gibt eine Vielzahl von Organisationen, die für ihre eigenen Genehmigungsprozeduren möglichst rational dargestellte Pläne für die von ihnen finanzierten Unternehmensgründungen brauchen: Banken, die Gründern Kredite geben wollen, Arbeitsagenturen, die die Weiterbezahlung von Arbeitslosenhilfe bewilligen wollen, oder Wirtschaftsförderer, die besonders gelungene Businesspläne prämieren wollen.

Die meisten Gründer kommen deswegen nicht darum herum, den Finanziers diese Planbarkeitsfiktionen zu liefern. Die Gefahr für die Gründer besteht jedoch darin, dass sie – verleitet durch die Software – an ihre Businesspläne zu glauben beginnen. Der beste Businessplan ist jedoch derjenige, der bei der Bank, der Arbeitsagentur oder dem Wirtschaftsförderer abgegeben wird – und den sich der Gründer nie wieder ansieht.

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bhp